Abendmusik zum Patrozinium 2019

Samstag, 29. Juni 2019 20:00 Kath. Kirche St. Peter und Paul, Aarau

Programm

Johannes Knoll, Oboe
Orchesterverein Aarau
Leitung: David Schwarb


Deutsche Romantik. Unerhört!


Friedrich Silcher
 
Ouvertüre Es-Dur

Julius Rietz
Konzertstück für Oboe und Orchester f-Moll op. 33

August Klughardt

Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 37

Der Solist

Johannes Knoll wurde 1987 in Linz/Donau geboren. Als Kind erhält er Unterricht in den Fächern Blockflöte, Klavier, Horn und Oboe. Nach der Reifeprüfung erfüllt Johannes seinen Präsenzdiesnt bei der Oberösterreichischen Militärmusik und absolviert anschliessend ein Oboenstudium an der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Es schliessen sich Studien in Basel und Amsterdam an, in denen Johannes sich auf historischen Oboeninstrumenten weiterbildet.

In rund 40 Konzerten pro Jahr mit Orchestern wie dem Capriccio Basel, L‘arpa festante München, Concerto Ripieno Zürich und dem Concerto Stella Matutina (Feldkirch) ist der Musiker mit Repertoire aus Barock, Klassik und Romatik zu hören. Mit dem von ihm geleiteten Ensemble Le souper du Roi erweckt er die vergessenen Klänge des Oboenconsorts wieder zum Leben.

Seit 2018 leitet er als Stimmführer das Bläserregister des Orchestervereins Aarau.

Zum Programm

Aus den Augen, aus dem Ohr

Vergessene Werke der deutschen Romantik


Wie viele Komponistennamen haben Platz im kollektiven Gedächtnis des Klassikpublikums? Viele – zweifellos. Wer hie und da einen Konzertsaal oder ein Opernhaus besucht, wird allein mit Blick auf die deutsche Romantik rasch acht Komponisten nennen können, deren Werke regelmässig gespielt werden: Schubert und Schumann, Mendelssohn und Brahms, Wagner und Bruckner, Strauss und Mahler. Grosse Meister allesamt – wer braucht da noch mehr?

Niemand. Es sei denn, ein Blick in ein Musiklexikon kitzle die Neugierde wach. Deutsche Romantik? Das sind mehr als acht oder zehn Namen! Hunderte Komponisten haben zwischen 1810 und 1910 im deutschen Sprachraum musikalische Werke geschaffen. Nur sind die allermeisten aus dem Hörfeld der musikalischen Öffentlichkeit entschwunden. Dort stapeln sich ihre unerhörten Werke – und warten darauf, dass jemand fragt: Wie klingst du?


Friedrich Silcher und der Volkston


Die Tür zu dieser Klangwelt öffnet Friedrich Silcher. Er ist kein eigentlich vergessener Komponist, im Gegenteil: Silcher ist als Schlüsselfigur der deutschen Romantik in Erinnerung geblieben. In der Zeit, als der «Volkston» sich als eine Grundfarbe der Musikkultur etablierte, hat er sich unsterblich gemacht als Meister des Volkslieds. Das «Ännchen von Tharau», die «Loreley» und viele andere Silcher-Lieder sind zum Allgemeingut geworden.

Silchers Orchesterwerke allerdings haben im Musikleben nie auch nur eine Nebenrolle gespielt. Vielleicht, weil sie – an sinfonischen Massstäben gemessen – zu sehr den Geist des Volkslieds atmen. Ungekünstelt und schlicht? Zu einer idealtypischen Ouvertüre mit ihrer spannungsgeladenen Dramaturgie passen diese Attribute schlecht. Aber Silcher kann sich nicht verleugnen: Er bleibt auch in seiner Es-Dur-Ouvertüre dem Volkston-Ideal verpflichtet.


Julius Rietz und das vernachlässigte Instrument


Im Konzertstück für Oboe und Orchester von Julius Rietz begegnen sich gleich zwei Protagonisten, die im Bild der deutschen Romantik an die Peripherie verdrängt worden sind: Der Komponist – und das Soloinstrument. Der Klang der Oboe ist zwar eine wichtige Farbe in der Orchestermusik der Romantik. Als Kammermusik-Instrument ist die Oboe in der Epoche dagegen nur selten berücksichtigt worden. Und als Soloinstrument praktisch gar nie. 

Umso mehr mag es erstaunen, wie selten das Konzertstück von Julius Rietz den Weg auf ein Konzertprogramm findet. Immerhin hat Rietz – ein Jugendfreund Felix Mendelssohns, sein Nachfolger als Musikdirektor in Düsseldorf und später auch als Dirigent des Leipziger Gewandhausorchesters – der Oboe mit diesem dreiteiligen Stück jenes romantische Kleinod geschenkt, welches Mendelssohn und Schumann zu komponieren versäumt hatten…


August Klughardt und die romantische Sinfonie


Und dann tritt einer ins Rampenlicht, den die Wogen des ästhetischen Konflikts zwischen den «Neudeutschen» um Richard Wagner und den «Klassizisten» um Johannes Brahms aus dem musikhistorischen Bewusstsein geschwemmt haben: August Klughardt, der als Dirigent nacheinander wichtige Stellen in Weimar, Neustrelitz und Dessau besetzte, wollte beides sein: Wagnerianer und Brahmsianer – und fand sich im Schatten beider Überfiguren wieder.

Klughardts Sinfonie Nr. 3 steht hinsichtlich ihrer grossen sinfonischen Architektur ganz in der Traditionslinie Schubert-Schumann-Brahms. Sie entstand 1879, kurz nach der Sinfonie Nr. 2 von Brahms, erntete Begeisterung von Amsterdam bis Wien, von Hamburg bis München – erlag dann aber dem unablässigen Vergleich mit Brahms. Wer sie von diesem Vergleich entlastet, entdeckt Musik, deren – unerhörte! – Erfindungskraft auch heute noch besticht.