Abendmusik zum Patrozinium

Samstag, 1. Juli 2017 20:00 Kath. Kirche St. Peter und Paul, Aarau

Programm

Miriam Terragni, Flöte
Orchesterverein Aarau
Leitung: David Schwarb


Henry Purcell 1659 - 1695

The Fairy Queen. Suite aus der Bühnenmusik

1. Act III Overture – 2. Dance for the Fairies – 3. Hornpipe 

4. Rondeau - 5. Jig – 6. Dance for the Followers of Night 

7. Act V Prelude - 8. Monkey's Dance – 9. Chaconne


Johan Joachim Agrell 1701 - 1765

Flötenkonzert D-Dur
1. Allegro – 2. Poco Andante – 3. Presto


Charles Hubert H. Parry 1848 - 1918

Lady Radnor’s Suite

1. Prelude – 2. Allemande – 3. Sarabande

4. Bourrée – 5. Slow Minuet – 6. Gigue


Kurt Magnus Atterberg 1887 - 1974

Antonius und Cleopatra. Suite aus der Bühnenmusik op. 29

1. Alla marcia – 2. Poetico – 3. Grazioso

4. Doloroso – 5. Festivo

Die Solistin

Miriam Terragni, Flöte

Die Schweizerin studierte an der Musikhochschule Basel bei Gerhard Hildenbrand sowie bei Peter-Lukas Graf und schloss mit dem Solistendiplom bei Felix Renggli ab. Weitere Impulse folgten während ihres Studienjahres in Paris bei Pierre-Yves Artaud und Philippe Racine. Danach bildete sie sich auf der Traversflöte an der Schola Cantorum Basiliensis und bei Ekkehard Creutzburg in Konstanz weiter. Die Gewinnerin zahlreicher nationaler und internationaler Preise ist Soloflötistin des Argovia Philharmonic unter der Leitung von Douglas Bostock. Ihr Wirken als Soloflötistin wurde zusätzlich von der Arbeit mit dem Orchestre Philharmonique Suisse geprägt.  Als Solistin, Kammermusikerin und Orchestermusikerin feiert Miriam Terragni Erfolge in ganz Europa. Produktionen für Radio und TV unterstreichen ihre Vielseitigkeit. Demnächst wird nach Ihrer ersten CD „Paraphrase brillantes“ mit der Pianistin Catherine Sarasin die zweite CD in dieser Besetzung mit romantischen und impressionistischen Trouvaillen (die meisten Werke sind Welt-Ersteinspielungen) beim Label Coviello erscheinen.

Die Werke

Peripherie, nicht Provinz! England und Schweden im musikalischen Dialog

 

Wer auf einer Landkarte Europas die musikhistorischen Zentren miteinander verbindet, wird zunächst einmal ein Viereck zeichnen. Ein Viereck um die Schweiz herum: Im Süden die Städte Italiens mit ihren Opernhäusern und Kirchen; im Norden die Fürstenhöfe und später die bürgerlich geprägten Stadtzentren Deutschlands; im Westen Frankreich mit den Brennpunkten Paris und Versailles; im Osten die Musikmetropole Wien. Die Gebiete ausserhalb dieses Vierecks mögen von der Schweiz aus betrachtet auf den ersten Blick als musikalische Provinz erscheinen – dem zweiten Blick bietet sich aber immer wieder ein überraschend vielfältiges Panorama. Der Orchesterverein Aarau blickt diesmal nach England und Schweden, beide Länder sind mit je einem Werk aus Barock und Spätromantik vertreten.

 

Shakespeare …

 

Den Rahmen des Programms bilden zwei Streicher-Suiten, die dem zeitlos faszinierenden Shakespeare-Universum angehören. Die erste öffnet eine Tür zur Oper The Fairy-Queen, welche Henry Purcell 1692 in London auf die Bühne gebracht hat. Dem Publikum im Queen's Theatre wurde damals ein kostspieliges Spektakel geboten: 16 Solisten, Chor, aufwändige Kulissen, eine ausgeklügelte Bühnenmaschinerie. Und vor allem: eine Musik von überbordendem Erfindungsreichtum, in der sich die Fantasie- und Traumwelten aus Shakespeares Sommernachtstraum spiegeln. Diese fabelhafte Musik kann ohne weiteres für sich stehen. Unsere Suite besteht aus neun kurzen Tanzsätzen, zu denen einst Feen und Elfen über die Bühne huschten, Schwäne übers Wasser glitten und Affen wild umherhüpften.

 

Die andere Shakespeare-Musik ist mehr als 230 Jahre nach Henry Purcells Fairy-Queen entstanden – im Schweden der 1920er Jahre. Sie stammt aus der Feder von Kurt Atterberg, dem bedeutendsten schwedischen Sinfoniker seiner Generation. In seiner Suite op. 29 hat Atterberg fünf Sätze einer Bühnenmusik verbunden, die er zu einer Aufführung des Shakespeare-Dramas Antonius und Kleopatra geschrieben hatte. Die Musik dieser Suite bezieht ihren Reichtum zum einen aus einer herben, archaischen Harmonik, mit der Atterberg die Szenerie aus der römischen Antike illustriert, zum anderen aus der Spannung zwischen drei unbeschwerten Miniaturen (Anfang, Mitte und Schluss) und der Tragik der beiden anderen Sätze, die von abgrundtiefer Traurigkeit und schluchzender Melancholie erfüllt sind.

 

… und zwei musikverrückte Adelige

 

Der Weg, welcher diese beiden Suiten verbindet, führt zunächst zu Johan Agrell, einem schwedischen Barockkomponisten, der zwei Jahrzehnte lang als Hofmusiker auf Schloss Jesberg bei Kassel gewirkt hat. Sein Dienstherr dort war Maximilian von Hessen-Kassel, ein Bruder des schwedischen Königs. Der musikaffine Prinz hat sein Geld bis zur Verschuldung dafür verwendet, Virtuosen aus Frankreich und Italien auf sein Schloss einzuladen. Und für einen dieser Gäste dürfte Agrell sein elegantes und empfindsames D-Dur-Flötenkonzert geschrieben haben. Genaueres wissen wir nicht – das bemerkenswerte Stück ist nur in einer einzigen Abschrift überliefert, die in den 1990er Jahren wiederentdeckt wurde, und das Manuskript gibt leider keinerlei Auskunft über die Entstehungsgeschichte dieser Trouvaille.

 

Sehr genau informiert sind wir dagegen über die Entstehung von Hubert Parrys Lady Radnor’s Suite. Parry hat das neobarocke Stück für eine befreundete Adelige geschrieben: für Countess Helen Matilda, die Ehefrau des fünften Earl of Radnor. Lady Radnor residierte auf einem Schloss südlich von Salisbury in Südengland und war eine enthusiastische Musikliebhaberin. Unter anderem leitete sie – erfrischend unkonventionell für eine Viktorianische Lady – ihr eigenes, 72köpfiges Streichorchester. Und am Pult dieses Orchesters hat sie 1894 die Uraufführung von Parrys Suite dirigiert. Parry kleidet darin barocke Tanzsätze in ein romantisches Klanggewand – und schlägt damit eine Brücke zwischen den beiden stilistischen Welten, die sich in diesem Konzert begegnen.